PR trifft Journalismus
Nachdem ich dir bereits verraten habe, warum 99 Prozent aller PR-Aussendungen ihr Ziel verfehlen, ist es Zeit, sich die Kontaktaufnahme und den Umgang mit Journalisten etwas genauer anzuschauen. Da gibt es ein paar No-Gos, die dir keinesfalls passieren sollten.
Und zwar sind das nicht die üblichen Verdächtigen, die dir von PR-Auskennern vorgebetet werden, wie z. B. nicht alle W-Fragen beantwortet zu haben. Wow, was für ein Skandal! Auch ungelenke Formulierungen oder den einen oder andere orthografische Schnitzer in einen Text einzubauen, ist nicht weiter schlimm! Die machen wir Journalisten selbst. Dafür gibt es Lektoren!
Ich spreche hier von kardinalen PR-Fehlern, die deine ganzen Marketing-Anstrengungen im Ansatz zu Nichte machen.
Beziehungsstatus – Es ist kompliziert!
Dazu vorab eine Anekdote aus meinem Journalistenleben, damit du verstehst, was ich meine. Als Ressortleiterin im Bereich Mode, Kosmetik und Lifestyle wird man von PR-Leuten ganz massiv – äh, nennen wir es mal, umworben. Da werden Presse-Trips organisiert, Testprodukte verschickt, Sample Sales veranstaltet, Lunch-Dates vereinbart usw. Sprich: Die Compliance wird nach allen Regeln der Kunst ausgelotet. Soweit so bekannt.
Weil die Anzahl der branchenspezifischen PR-Agenturen im deutschsprachigen Raum ziemlich überschaubar ist, kennt man einander gut und das Verhältnis zwischen PR-Beratern und Pressevertretern ist sehr amikal.
Man begegnet sich respektvoll, freundlich und wohlwollend. Man hört dem Gegenüber zu, und lässt sich auch für die eine oder andere Sache begeistern, wenn die von der Agentur vertretene Marke wirklich etwas kann.
Ein Verhaltenskodex, nach dem sich alle Beteiligten richten. Falls du noch mehr darüber wissen möchtest, schau dir die Richtlinien des Deutschen Rat für PR an.
Vorsicht Falle!
Umso allergischer reagieren Redakteure, wenn diese stillschweigende Übereinkunft gebrochen wird. Wenn man zum Beispiel eines Tages, allen Ernstes, einen Anruf bekommt, indem jemand fragt, warum man zu diesem und jenem tollen Ding, das von der Agentur betreut wird, noch keine Story gebracht hätte.
Das ist in hohem Maße unverschämt und ein sicherer Weg Journalisten auf Dauer zu vergraulen. Für die betreffende PR-Agentin gab es nach diesem ärgerlichen Telefongespräch – keinen Anschluss mehr unter dieser Nummer – ich hab sie blockiert.
Und wie sich später herausgestellt hat, ging es nicht nur mir mit der Dame so! Als ich Kolleginnen aus einem anderen Verlag davon erzählte, haben die gesagt: „Ach, wenn die K. bei uns in der Redaktion anruft, hebt schon lange keiner mehr ab“. Und gelacht.
Tja, damit hatte ich nicht gerechnet. Eigentlich tragisch, wenn jemand damit seinen Lebensunterhalt verdienen will und es besser wissen sollte!
Damit dir das garantiert nicht passiert, kriegst du hier eine Liste mit sieben Sünden, die dir eventuell dein Beichtvater vergibt, ein Journalist allerdings in diesem Leben nicht mehr. Und die erste davon ist – wie du dir nach dieser kurzen Geschichte vielleicht denken kannst. Trommelwirbel:
1. Fataler PR-Fehler – auf Journalisten Druck ausüben
Geht gar nicht! Das kränkt uns nachhaltig und steht in krassem Gegensatz zu unserem Selbstverständnis. Als Journalisten fühlen wir uns einzig und allein unseren Lesern verpflichtet. Wir wollen in unseren Artikeln spannende politische, ökologische, ökonomische und kulturelle Phänomene aufspüren und gesellschaftliche Trends kommentieren.
Wir sind keine Auftragstexter, sondern schreiben über das was wir für wichtig und richtig halten. Wer etwas anderes erwartet, der wende sich bitte an den Werbetexter seines Vertrauens! Ein Punkt, der mich zur nächsten groben Verfehlung bringt.
2. Fataler PR-Fehler – mit Anzeigenfloskeln um sich werfen
Wenn bei mir das Telefon klingelt und der Mensch am anderen Ende der Leitung etwas von „Können Sie sich vorstellen, in ihrem Ressort dazu eine Geschichte zu platzieren?“, daherfaselt, dann schrillen bei mir alle Alarmglocken.
Weil solche Formulierungen ganz eindeutig aus der Werbesprache kommen. Bezahlte Anzeigen werden geschaltet oder auf bestimmten Seiten platziert. Artikel hingegen werden recherchiert und danach so objektiv wie möglich geschrieben. Und ja durchaus auch ein bisschen nach unserem Gutdünken.
Von platter Marktschreierei für irgendwas halten wir Journalisten uns fern, wie vor einem giftigen Apfel. Unsere Unabhängigkeit ist unser wichtigstes Gut. Mehr dazu erfährst du in meinem Beitrag zum Thema Pressemitteilungen schreiben. Nur so können wir auf das Vertrauen unsere Leser hoffen. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Kardinalfehler Nummer drei.
3. Fataler PR-Fehler – sich selbst überschätzen
In dem Fall behauptet der Anrufer oder Absender einer Pressemitteilung Bahnbrechendes – wie z. B. „Eine world-changing Dating-App erfunden zu haben!“, oder „Ein Produkt, das den Markt von Grund auf revolutionieren wird!“, und das ohne jegliche Fundierung.
Generell ist der Einsatz von substanzlosen Superlativen ein verlässlicher Weg, um Journalisten in die Flucht zu schlagen. Schließlich kostet es uns Zeit, Information zu überprüfen. Stellen sich diese als falsch heraus, finden wir das gar nicht witzig.
4. Fataler PR-Fehler – Exklusivität vorgaukeln
Dann gibt es noch den Fall, wo man als Redakteur tatsächlich eine ganz spannende Story präsentiert bekommt. Mit dem Hinweis, man wäre garantiert der/die Erste, dem diese Information/Bilder/Interview etc. zur Verfügung gestellt wird. Weil auch das, ist im Journalistenalltag ein nicht unwesentliches Kriterium: Schneller als die Konkurrenz – sprich andere Magazine, Tageszeitungen oder Online-Medien im selben Erscheinungsraum – zu sein.
Gewiefte PR-Manager wissen das und nutzen diesen Umstand strategisch für sich aus. Soweit alles kein Problem. Kritisch wird es allerdings, wenn diese Absprache aus irgendeinem Grund nicht eingehalten werden kann oder – noch schlimmer – ganz bewusst nicht eingehalten wird. Dann ist die Vertrauensbasis für immer zerstört.
5. Fataler PR-Fehler – an das falsche Ressort wenden
Das bringt uns zu den Ober-Ignoranten. Sie rufen in der Redaktion an und verlangen den Chefredakteur. Weil sie glauben, auf diese Weise stünden Ihre Chancen, besonders gut eine Geschichte in einem Medium unterzubringen.
Aber weit gefehlt: Der Chefredakteur hat eher das große Ganze im Blick. Die Blattlinie. Über die einzelnen Beiträge entscheiden die redaktionellen Leiter in den zuständigen Ressorts. Aber davon wissen solche Typen selbstredend nichts. Meistens haben sie sich nicht einmal die Mühe gemacht, das Magazin oder die Zeitung wirklich genau durchzublättern. Um zu schauen, wer welche Themen betreut, welche Rubriken es gibt etc.
So viel Respekt für meine Arbeit erwarte ich mir als Journalist aber! Und Fragen wie „Können Sie darüber einen Nachbericht machen“, wenn es dieses Format auf den von mir betreuten Seiten gar nicht gibt, sorgen nicht gerade für erhöhte Sympathiewerte. Deshalb merke: Immer genau im Vorfeld recherchieren, wer der beste Ansprechpartner für deinen Themenvorschlag ist!
6. Fataler PR-Fehler – die Fotorechte nicht abklären
Ebenfalls sehr heikel wird es, wenn wir zu einer Pressemeldung druckfähige Fotos mitgeliefert bekommen, bei denen die Rechte nicht zweifelsfrei abgeklärt sind. Wenn sich zum Beispiel nach dem Erscheinen herausstellt, dass die für PR-Zwecke honorarfrei zur Verfügung gestellten Bilder eigentlich einem Fotografen gehören.
In Österreich gab es dazu vor zwei Jahren einen spektakulären Fall, in den das Sofitel Wien (Accor Gruppe) verwickelt war. Die genauen Details kannst du in diesem Artikel nachlesen.
Nur so viel: Die ursprünglich auf drei Jahre beschränkten Nutzungsrechte wurden von den PR-Verantwortlichen ignoriert und die Fotos hochauflösend Dritten zur Verfügung gestellt. Weltweit schafften es die Bilder dadurch auf mindestens 170 Covers. Es folgt ein teurer Vergleich.
Dieser Präzedenzfall zeigt sehr anschaulich die Risiken auf, welche entstehen können wenn Fotos rechtswidrig verwertet werden. Zu guter Letzt geht uns nur noch eine grobe Verfehlung ab, und zwar:
7. Fataler PR-Fehler – uns kurz vor der Abgabe hängen lassen
Zählt zu den miesesten Dingen, die man einem Journalisten antun kann. Es bringt uns gehörig in die Bredouille. Unter extremen Zeitdruck eine neue Geschichte aus dem Boden zu stampfen, ist alles andere als ein Vergnügen. Die Vorgesetzten sind genervt, die Grafiker in der Warteschleife. Ein Albtraum!
Deshalb: Wenn jemand zugesagte Interviews ohne triftigen Grund platzen lässt und plötzlich für uns nicht mehr erreichbar ist, dann ist Schluss mit lustig!
Die Branche ist klein, so ein Fauxpas spricht sich rum und derjenige wird zur Persona non grata. Ein Unerwünschter, der auf keine Artikel mehr hoffen darf, egal was er in Zukunft dafür anstellt.